Arzneimittelreport: Deutsche nehmen zu viele Medikamente
17.06.2013 - Zu viele Medikamente: Laut dem aktuellen Arzneimittelreport der Barmer GEK nimmt ein Drittel der über 65-Jährigen mehr als fünf verschiedene Arzneimittelwirkstoffe täglich ein - und das ohne klaren medizinischen Grund. Ein weiteres alarmierendes Ergebnis der Studie: Kinder und Jugendliche bekommen immer mehr Psychopharmaka verordnet. Experten warnen vor unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen, Folgeschäden und Entzugserscheinungen.
Hoher Konsum
Viele Alte nehmen zu viele Medikamente gleichzeitig: Zu diesem Ergebnis kommt der kürzlich veröffentlichte Arzneimittelreport der Barmer GEK. Ein Drittel der Versicherten über 65 Jahre bekommt laut dem Report mehr als fünf verschiedene Wirkstoffe gleichzeitig verordnet. Hochbetagte - Menschen der Altersgruppe von 80 bis 94 Jahren - sind dabei besonders betroffen: Jeder Zweite schluckt zu viele Pillen, so die Autoren der Studie. Dabei ist gerade bei älteren Menschen das Risiko für schwerwiegende Neben- und Wechselwirkungen erhöht. Mittlerweile wird jeder zehnte ältere Mensch ins Krankenhaus eingeliefert, weil er zu viele verschiedene Arzneimittel eingenommen habt, so Studienautor Gerd Glaeske. Grund für die Multimedikamentation ist seiner Auffassung nach die hohe Zahl der Ärzte: Durchschnittlich konsultiert jeder 65-Jährige neben einem Hausarzt mindestens drei verschiedene Fachärzte. Und diese verschreiben oft mehrere Medikamente gleichzeitig - ohne die möglichen Wechselwirkungen zu prüfen.
Viele Ältere sind medikamentenabhängig
Frauen und Männer sind von Multimedikamentation ähnlich stark betroffen: So schlucken Männer über 65 Jahre täglich 7,3 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe, Frauen der gleichen Altersgruppe 7,2. Deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es dagegen bei der Art der eingenommenen Medikamente: So sind es zu 70 Prozent Frauen, die zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln greifen. Kritisch bewerten die Studienautoren, dass besonders häufig Menschen mit Demenz solche Benzodiazepine verschrieben werden. Denn Aufmerksamkeit, Erinnerungs- und Lernfähigkeit schwinden bei Einnahme dieses Wirkstoffs nachweislich. Viele ältere Patienten sind mittlerweile von diesen Arzneimitteln abhängig. Die regelmäßige Verordnung soll dann lediglich schlimme Entzugserscheinungen vermeiden. Inzwischen gibt es aber Hinweise darauf, dass Menschen, die über Jahre regelmäßig Benzodiazepine eingenommen haben, überdurchschnittlich häufig eine schwere Form der Demenz entwickeln.
Kinder erhalten mehr Psychopharmaka
Als besorgniserregend hoch bezeichnen die Autoren des Arzneimittelreports die Verordnungszahlen von Psychopharmaka für Kinder und Jugendliche: Im Zeitraum von 2005 bis 2012 wuchs die Zahl der Verordnungen um insgesamt 41 Prozent. Eine Ausnahme bilden die Jüngsten: Kleinkinder bis vier Jahre bekommen kaum noch Antipsychotika. In allen anderen Altersgruppen steigen die Verordnungszahlen, am deutlichsten bei den 10- bis 14-Jährigen. Laut Glaeske weisen viele dieser Pillen gravierende Nebenwirkungen wie Kopfschmerz, Schlaflosigkeit und Gewichtszunahme auf. Eine medizinische Erklärung für die hohe Medikamentation gibt es nicht: Laut den Experten gibt es bislang keine wissenschaftlichen Belege für das vermehrte Auftreten psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen.
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